Strategie, Taktik und Logistik für Spielleiter

you shall not pass by mrsnikkisixx

Habe immer einen Plan, aber verlasse dich nie auf ihn!

Ein kurzer Tipp, inspiriert von einem Picast auf http://pihalbe.org/

In der militärischen Planung unterscheidet man bei Entscheidungen zwischen verschiedenen Abstufungen. Ich will da jetzt gar nicht groß in diese Theorie einsteigen, da ich auf diesem Gebiet nun wirklich kein Fachmann bin, wichtig sind für diesen Artikel nur die Begriffe: Strategie, Taktik und Logistik. Unter Logistik versteht man sehr kurzfristige Planungsschritte, also z.B. die Positionsänderung einer Truppe. Das Ziel einer logistischen Entscheidung ist immer sehr konkret. Mit Hilfe logistischer Schritte setzt man eine Taktik um, welche schon etwas langfristiger angelegt ist und weitreichendere Konsequenzen hat, beispielsweise ein organisierter Angriff eines Kampfverbandes auf ein bestimmtes Ziel. Das Ziel einer Taktik ist abstrakter, als die Ziele der Logistik. Um eine Taktik auszuführen muss man also mehrere logistische Entscheidungen treffen. Eine Strategie wiederum liegt noch eine Ebene höher. Sie ist langfristig angelegt, hat abstrakte Ziele und zur Umsetzung einer Strategie werden taktische Entscheidungen getroffen. Ein Beispiel für eine Strategie wäre, den Gegner auf zwei Seiten in ein Gefecht zu verwickeln, um ihn dadurch zu schwächen. Jede Strategie hat ein Ziel, dass ich nun einfach Operationsziel nennen werde.

Dieser Artikel beschreibt wie man dieses Konzept, dass man Entscheidungen verschiedenen Stufen zuordnet, in die Sprache der Rollenspiele übersetzt. Was sind also logistische, taktische und strategische Entscheidungen des Spielleiters und was ist das Operationsziel? Wie viel Zeit sollte man für diese Entscheidungen aufwenden? Kann man mit diesen Konzepten Railroading vermeiden?

Logistik für Spielleiter

Wie kann also eine Logistik für Spielleiter aussehen? Die kurzfristigsten Entscheidungen sind: Was passiert in einem bestimmten Handlungsstrang als nächstes? Eine logistische Entscheidung bestimmt den nächsten Schritt innerhalb eines Handlungsstrangs, also die Begegnung mit einem NSC, ein Kampf mit einem Monster, ein Rätsel das gelöst werden muss oder ähnliches. Hier hat man als Spielleiter noch eine hohe Planungsgewalt und kann detaillierte Vorbereitungen treffen, also z.B. eine Karte zeichnen oder den Hintergrund eines NSCs erfinden. Hier kann und sollte man einen großen Teil seiner Vorbereitungszeit investieren (siehe auch Johnn Fours Loopy Session Planning auf spielleiten, in welchem es auch darum geht zunächst die nächsten Schritte aller wichtigen Handlungsstränge vorzubereiten). Wenn man seine Handlungsstränge identifiziert hat und bemerkt, dass es nur sehr wenige davon gibt (im Extremfall nur einen!), dann betreibt man wahrscheinlich gerade Railroading. Wir werden gleich sehen, wie das die taktischen Möglichkeiten für Spielleiter einschränkt.

Taktik für Spielleiter

Die nächste Stufe über einem Handlungsstrang ist ein Abenteuer. Taktische Entscheidungen für Spielleiter bestimmen den Ablauf von Abenteuern. Wir überlegen uns also wie wir mit den verschiedenen Handlungssträngen umgehen, welche wir weiterführen oder ob wir welche beenden. Auch das Zusammenführen von Handlungssträngen oder das Starten einer neuen Handlung sind taktische Entscheidungen. Man sollte als Spielleiter hier ruhig ein wenig Zeit investieren: Wie viele Handlungsstränge sollen parallel laufen? Wie lange sollen diese laufen und wann sollen sie starten und enden? Welchem Zweck dient der Handlungsstrang, soll er für eine gewisse Atmosphäre sorgen, zum Ziel des Abenteuers führen, oder sogar davon ablenken? Das Erstellen eines Flussdiagramms wäre zum Beispiel eine Sammlung von taktischen Entscheidungen.

Man sieht, dass die taktischen Möglichkeiten eng mit der Anzahl der Handlungsstränge zusammenhängen. Im Extremfall habe ich nur einen Handlungsstrang und damit nur wenige Entscheidungen zu treffen: Wann beginnt er, wann endet er, welches Ziel und welche Atmosphäre hat er? Wie bereits bemerkt ist ein Zeichen von Railroading, dass wir nur wenige Handlungsstränge haben. Jetzt wird klar: Ein weiteres Zeichen von Railroading ist, dass wir nur wenige taktische Möglichkeiten haben.

Strategie für Spielleiter

Die nächste narrative Stufe über dem Abenteuer ist die Kampagne. Entsprechend betreffen strategische Entscheidungen Kampagnen und das Operationsziel ist der Abschluss der Kampagne. Während wir im Bereich der Taktik mit Handlungssträngen gearbeitet haben, verwalten wir jetzt ganze Abenteuer (wie eine Strategie konkret aussehen kann, habe ich im Artikel Dramatische Struktur einer Kampagne beschrieben). Im Wesentlichen bestimmt eine Strategie den Ablauf einer Kampagne indem wir die Anzahl, Art und die Funktion der Abenteuer genauer festlegen. Man braucht hier nicht viel Zeit zu investieren, denn wir befinden uns auf einer hohen Abstraktionsebene. Ein hoher Detaillevel bringt hier nichts, da man bis auf die logistische Schicht planen müsste und das über einen sehr großen Zeitraum. Das würde nicht nur immens viel Arbeit machen, sondern ist teilweise auch einfach nicht möglich, da die Spieler ebenfalls Einfluss auf das Geschehen nehmen. Es heißt: Kein Plan überlebt den ersten Feindkontakt. Das muss aber nicht für unsere Strategie gelten. Dadurch, dass die Strategie auf einer sehr hohen Abstraktionsschicht arbeitet, ist sie wenig anfällig für „Störungen“ auf den unteren Ebenen.

Abschluss

Man kann die Begriffe Strategie, Taktik und Logistik also auf die Spielvorbereitung anwenden. Wir sehen aber auch, dass die verschiedenen Ebenen sich gegenseitig brauchen! Um strategische Entscheidungen umzusetzen, benötige ich eine Taktik. Taktische Entscheidungen werden wiederum mit einer Logistik ausgeführt. Umgekehrt gilt, dass eine Logistik nur Sinn macht, wenn damit ein bestimmter taktischer Schritt umgesetzt wird. Und, ihr ahnt es, Taktik macht nur Sinn, wenn sie einen strategischen Schritt als Ziel hat. Wenn eure Handlungsstränge oder Abenteuer daher seicht dahinplätschern, liegt es wahrscheinlich daran, dass die nächsthöhere Ebene nicht geplant wurde. Wenn ihr auf der anderen Seite eine gute Kampagnen- oder Abenteueridee habt, aber nicht wisst, wie ihr diese umsetzen könnt, dann ist es Zeit sich eine Ebene tiefer zu bewegen und dort kreativ zu werden.

Jetzt mag man den Einwurf machen, dass man ja gar nicht unbedingt eine Kampagne spielen muss, also eventuell keine strategische Ebene existiert! Das ist richtig. Um im Vergleich zum Militär zu bleiben: Ob du ein General oder ein Hauptmann bist, bleibt dir selbst überlassen (eines der großen Privilege eines Spielleiters!).

Übersicht

Hier nochmal eine kleine Übersicht, wie Logistik, Taktik und Strategie in die Domäne der Spielvorbereitung übersetzt wurden:

Logistik

  • Das Ziel ist einen Handlungsstrang zu planen und umzusetzen
  • Hier sollte man viel Zeit zur Vorbereitung investieren und ins Detail gehen.
  • Ein logistischer Schritt wird innerhalb eines oder weniger Sitzungen durchgeführt.
  • Ein logistischer Schritt ist das konkrete Planen der nächsten Aktion der SCe oder Reaktion der Umgebung in einem Handlungsstrang.

Taktik

  • Das Ziel der Taktik ist die Planung eines Abenteuers, mit Beginn, Ablauf und Abschluss.
  • Detaillevel und Zeitaufwand liegen zwischen Logistik und Strategie
  • Ein taktischer Schritt benötigt eine oder mehrere Sitzungen.
  • Taktische Entscheidungen bestehen aus dem Verwalten der Handlungsstränge: Starten, Weiterführen und Beenden von Handlungssträngen, sowie deren Art und Funktion bestimmen.

Strategie

  • Das Ziel der Strategie ist die Planung einer Kampagne mit Beginn, Ablauf und Abschluss
  • Detaillevel ist niedrig und Zeitaufwand kurz.
  • Die Durchführung eines strategischen Schrittes nimmt mehrere Sitzungen in Asnpruch
  • Strategische Schritte bestehen aus der Verwaltung der Abenteuer, also deren Anzahl, Art, Funktion und Länge.

Wie setzt ihr Logistik, Taktik und Strategie in der Spielvorbereitung um? Entdeckt jemand ähnliche Strukturen in der Durchführung oder Nachbereitung von Sitzungen, oder sogar in ganz anderen Bereichen (Spielen von NSCen, Erstellen von Dungeons…)?

Ich wünsche allen eine fantastische Woche!

– Michael

Über spielleiten

Autor von spielleiten.wordpress.com
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Eine Antwort zu Strategie, Taktik und Logistik für Spielleiter

  1. Twist schreibt:

    Hallo,
    vorab möchte ich sagen, dass mir der Artikel sehr geholfen hat, ein Gedankenmodell für meine Art der Spielleitung zu finden. Ich nutze diese Ebenen schon seit Jahren, habe aber immer damit zu kämpfen, mich zu verzetteln und die Übersicht zu verlieren. Jetzt, wo ich das ganze in passende Bezeichnungen unterteilen kann, werde ich hoffentlich etwas besser organisieren können. Gerade auch der Dramatische Aufbau einer Kampagne, der andere Artikel, auf den Bezug genommen wird, sollte dabei sehr hilfreich sein. Sehr gute Arbeit, mir hat es viel gebracht und ich bedanke mich.
    Ein interessanter Gedanke ist die Fortführung dieser Bezeichnung um eine Gesamtstrategie zu entwickeln. Dieser Schritt war immer noch im Hintergrund aktiv in meinen Planungen. Die Kampagne stellt sich im Verlauf mehrerer Intime-Jahre (häufig auch Outgame) als Teil eines größeren Handlungsbogen heraus, in dem auch der böse Ogermagus nur der Handlanger des Überdunkellordmegauniversumverschlingers, von dem die Spieler doch schon vor Jahren mal hörten, als sie die Verwüstungen in den entfernten Regionen eines längst vergessenen Einzelabenteuers zwischendurch vordringen mussten. Immer wieder Hinweise auf diese Graue Eminenz im Hintergrund einzustreuen, ohne die Spieler mit der Nase drauf zu stoßen – ABER die Erinnerung wieder wachrufen zu können bei der Auflösung, das ist eine sehr heikle Kunst und eine schmale Gratwanderung.

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