Zwiebel-Abenteuer-Vorbereitung

Neulich habe ich mich bei der Abenteuervorbereitung beobachtet und dabei festgestellt: Ich arbeite mit Schichten.

Ich starte also mit einem lächerlich einfachen Kern und mache ihn interessanter, indem ich eine Schicht nach der anderen anlege. Interessanter in der Hinsicht, dass eine bestimmte Stimmung angestrebt wird, Aufgaben schwieriger zu erfüllen sind oder das Setting ausgebaut wird. Ich möchte kurz demonstrieren welche Formen eine Schicht annehmen kann. Danach erläutere ich kurz, warum das Arbeiten mit Schichten vorteilhaft ist.

Ein Beispiel

Ich habe die Abenteuervorbereitung mit der folgenden “Idee“ begonnen:

In einer heutigen Ruine ermitteln die Helden, was mit den ehemaligen Bewohnern geschah.

Diese sehr einfache Idee habe ich nun mit verschiedenen Schichten umhüllt.

Die erste Schicht betrifft den Schauplatz. Dieser muss interessant sein und um interessante Schauplätze zu finden ist der Atlas Obskura Gold wert. Nach etwa fünf Minuten habe ich dort diesen Eintrag gefunden: The Funeral Rites of Torajaland. Es handelt sich hierbei um eine außergewöhnliche Art der Bestattung. Kinder werden nicht – wie dort üblich – in Aushöhlungen einer Steinwand beerdigt, sondern in Aushöhlungen von Bäumen!

Ich hatte jetzt nicht nur eine Idee für eine Besonderheit am Schauplatz, sondern auch gleich schon ein paar passende Bilder dazu. Gerade wurde die erste Schicht angebracht.

Bezüglich des Schauplatzes gab es im Verlauf der Abenteuervorbereitung noch weitere Schichten:

  • Der Schauplatz mit den Baumgräbern befindet sich auf einer abgeschiedenen Insel, deren Position weitgehend unbekannt ist.

  • Elfen haben diese kleine Insel besiedelt und irgendwann angefangen ihre Toten in Bäume zu stecken.

  • Es ist keine gewöhnliche Elfensiedlung, sondern ein Elfenkloster.

Neben Schichten, welche den Schauplatz betreffen habe ich weitere Schichten, um die Kernidee gelegt. Einige betreffen zum Beispiel die NSCe:

  • Die SCe werden in diesem Fall schlicht angeheuert, um bei einer Expedition teilzunehmen. Dazu müssen natürlich Expeditionsleiter und weitere Teilnehmer her: In diesem Fall zwei Elfinnen und die Mannschaft des Schiffes, welches alle zur Insel bringt.

  • Es gab früher schon einmal eine Expedition, welche scheiterte. Die meisten von diesen sind zwar tot, aber Ziel der aktuellen Expedition ist auch herauszufinden was mit der alten Expeditionen geschehen ist.

  • Eines der ehemaligen Expeditionsmitglieder rennt als Irrer heute noch über die Insel. Es gibt auch noch den ehemaligen Kapitän, welcher inzwischen ein (fast) nutzloser Trunkenbold ist. Die SCe werden nicht wissen, ob sie ihm vertrauen sollen oder nicht.

Eine weitere Sorte Schichten sind Komplikationen:

  • Wichtige Informationen können auf einer kleinen Nebeninsel gefunden werden. Diese war früher per Hängebrücken mit der Hauptinsel verbunden. Heute sind die Brücken jedoch zerstört.

  • Die Toten in den Baumgräbern sind gar nicht so tot, sondern erstaunlich flinke Untote. Sie kommen nachts aus ihren ungewöhnlichen Gräbern und möchten die Eindringlinge töten.

  • Wichtige Informationen und Relikte befinden sich in einem unterirdischen Teil des Klosters. Dieser ist ein klassisches Dungeon mit Fallen und Monstern. (Ja, das ist alles sehr unelfisch und gerade deshalb so irritierend.)

  • Das Mitglied der ersten Expedition stellt sich selbst als Opfer dar und versucht die SCe gegen ihre Arbeitgeber aufzubringen. Eine der Elfinnen macht sich immer wieder verdächtig. Dies erschwert die Entscheidung, wem die SCe vertrauen sollen.

Ich hätte diese letzte Schicht auch so gestalten können, dass die beiden Elfinnen tatsächlich etwas böses im Sinn führen. Eine Schicht kann also auch ein Twist in der Geschichte darstellen.

Mit jeder hinzugefügten Schicht wurde die Grundidee weiter ausgebaut.

Natürlich mussten bei jeder neuen Schicht weitere Schritte unternommen werden. Wie starb der größte Teil der ersten Expedition? Und wieso kam nur der Kaptiän zurück? Wieso haben die Elfenmönche angefangen ihre Toten in Bäumen zu beerdigen? Welche Informationen lassen sich auf der Nebeninsel und im Dungeon finden? Dies muss alles geklärt werden, gehört aber immer zu den entsprechenden Schichten.

Warum Schichten?

Mit Schichten zu arbeiten hat einen besonderen Vorteil: Man hat schon in einem sehr frühen Stadium etwas Spielbares. Vorbereitungszeit ist immer knapp, daher ist es begrüßenswert zeitlich flexibel zu sein. Hätte ich beispielsweise nicht genug Zeit gehabt die jeweils letzte Schicht aus den obigen drei Listen vorzubereiten, hätte ich trotzdem etwas spielbares gehabt.

Auf der anderen Seite kann ich, wenn mir plötzlich mehr Zeit zur Verfügung steht, weitere Schichten anlegen, um das Abenteuer zu verfeinern.

Man ist auch beim Spielen flexibler! Ist man sich über die Schichten bewusst, kann man sie spontan weglassen oder einfügen, je nach Stimmungslage und verfügbarer Zeit. Lasse ich im obigen Beispiel die Toten in den Bäumen oder erspare den Helden den Versuch sie gegen ihre Arbeitgeber aufzubringen, ist der Rest immer noch spielbar.

Ein weiterer Vorteil ist, dass man immer an etwas arbeitet. Das schwierige bei kreativen Prozessen ist das anfangen, also die berühmte leere Seite. Hat man erst einmal losgelegt, dann kommen Ideen schneller und leichter ins Spiel. Wenn man mit Schichten arbeitet, ist der Anfang viel einfacher, denn wir versuchen gar nicht den großen Wurf zu machen, sondern begnügen uns mit einem schnöden einfachen Satz, den wir dann ausarbeiten.

Wenn man diese Last ablegt, hat man schnell einen Anfang gefunden und mit jeder Schicht wird die einfache Idee persönlicher und interessanter.

– Michael

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5 Antworten zu Zwiebel-Abenteuer-Vorbereitung

  1. Hendrik schreibt:

    Ich nutze als Kreativtechnik ja gerne den Adventure Funnel (http://xbowvsbuddha.blogspot.com/2006/10/adventure-funnel.html). Und wenn ich so darüber nachdenke: Eigentlich ist das nicht viel anders als das was Du beschreibst. Hier arbeitet man sich auch Schichtweise durch. Einfaches Kernziel, dann auf der zweiten Schicht Komplikationen, dann auf der dritten Schicht Details (und dann noch Feinheiten, falls man die braucht).

  2. edalon schreibt:

    Ich erkenne in der Beschreibung die Art meiner Rollenspielvorbereitung wieder.
    Schöne Zusammenfassung mit guten Ideen für zukünftige Vorbereitungen. Danke!

  3. Pingback: SL-Tipps: Eine Szenerie lebendig werden lassen | Teilzeithelden

  4. Jan schreibt:

    Schicke Methode. Ich denke auch, dass ich dem gar nicht so unähnlich arbeite. Zumindest manchmal. Manchmal mache ich es auch ganz anders und gehe linear vor. Ich habe einen Startpunkt (Die Tochter des Barons ist verschwunden) und arbeite dann die Einflüsse nacheinander ab (nicht zwingend chronologisch, sondern in einer Art inhaltlicher Reihenfolge). Also: Wer hätte Grund sie zu entführen? Feind und Freund am Hofe? Wohin wurde sie gebracht? Wer bewacht sie dort? Wie bekommt man sie wieder raus. Ist etwas schwieriger, aber je nach Idee passender. Schwieriger, weil man immer wieder zurück gehen muss um Personen zu ändern oder einzufügen, damit es zu dem neuen Aspekt, den man später einführt hatte, passt.

    Und danke für den Link zum Atlas. Kann ich noch gar nicht.

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